Behnsdorf l So mancher Raubvogel hätte sich - wenn er es könnte - wohl ungläubig die Augen gerieben angesichts der riesigen Drohne von Thomas Heithecker hoch über einer Wiese bei Behnsdorf. Die Technik des Drohnenpiloten ist beeindruckend. Nicht nur die Drohne selbst ist ausgestattet mit allerlei High-Tech und vor allem einer Wärmebildkamera. Im Kofferraum seines Wagens zeigt der Laptop das zu überfliegende Gebiet, ein anderer den passenden Kartenausschnitt.
Heiner Altenbach hat Thomas Heithecker mit einer Suche beauftragt. Der Landwirt plant die erste Wiesenmahd des Jahres. Die mehrere Hektar großen Flächen bei Behnsdorf sind bis zu einem halben Meter hoch mit Gras bewachsen. Wenn der Traktor mit dem Mähwerk hier ans Werk geht, kommt für neugeborene Kitze nicht selten jede Hilfe zu spät. Die naturgemäß von ihren Müttern abgelegten Tiere geben keinen Mucks von sich und bleiben so lange liegen, bis die Ricke zurückkehrt.
Tiere lassen sich nicht vertreiben
Der Landwirt kennt das Problem schon seit vielen Jahren. Alle Versuche, die Tiere zu vertreiben, bevor die großen Maschinen ihre Bahnen über das Feld ziehen, haben bislang nicht den erwünschten Erfolg gebracht. So auch mit ordentlich krach machenden Mopeds, die über die Mähfläche brausten. Aber nichts hat auf Dauer geholfen. Dann hat Heiner Altenbach in einer Fachzeitschrift seines Berufsstandes von der Möglichkeit der Drohnenbefliegung erfahren, ein Kollege aus Niedersachsen hatte auch die entsprechenden Kontaktdaten.
Frühmorgens, kaum dämmert der Tag, stehen die Landwirte Heiner Altenbach und Benjamin Krüger, Angela Kummert, Lothar Kusian und Hans-Joachim Schöpke als Naturschützer und natürlich der Drohnenpilot am Rand einer Wiese. Alle sind gespannt und ausgerüstet mit allem, was für die Rettung der Jungtiere notwendig ist.
Wärmesignaturen zeigen Tiere
Ziemlich schnell entschwindet das Flugobjekt nach dem Start den Blicken, auch das Summen ist nicht mehr zu hören. Thomas Heithecker übernimmt die Kontrolle per Handsteuerung. Wo die Drohne gerade fliegt, ist auf einem der Monitore im Heck seines Autos zu sehen. Der zweite Monitor zeigt die Landschaft in grau mit helleren bis weißen Wärmesignaturen. Die Sockel von Pfählen sind heller zu erkennen, auch die Strommasten zeigen in Erdnähe eine hellere Färbung.
Plötzlich kommt Bewegung in die Gruppe, jeder will auf den Monitor schauen, denn ein winzig kleiner leuchtend weißer Punkt ist zu erkennen. Gleich daneben ist noch ein etwas größerer zu sehen, der sich bewegt. „Die Ricke“, vermutet Angela Kummert. Und nur ein ganz kleines Stück davon entfernt, ist noch so ein deutlich weißer Fleck zu erkennen. Zwei Jungtiere? Nur eine Vermutung zu diesem Zeitpunkt. Der Rasterflug in diesem Abschnitt wird noch beendet, auf dem Laptop werden Kontrollpunkte gesetzt.
Rettung der weißen Flecken
So ein Drohnenflug kostet Energie, die muss erst wieder aufgeladen werden. Thomas Heithecker beordert den Flieger zurück, Sekunden später ist das summende Geräusch zu vernehmen, kurze Zeit darauf gibt es Sichtkontakt, dann setzt die Drohne auch schon vorsichtig auf. Nun muss es zügig gehen, Heiner Altenbach setzt sich in sein Fahrzeug, er hat Kiepen und Kisten auf der Ladefläche, dazu gesellen sich die Naturfreunde. Es geht quer über das Feld, auf die „weißen Flecke“ zu. Der Drohnenpilot gibt vom Ausgangspunkt aus Anweisungen, denn er sieht neben dem fahrenden Objekt mit den vielen, diesmal menschlichen „weißen Flecken“ an Bord die still verharrenden Punkte auf seinem Bildschirm.
Vorsichtig pirschen sich Angela Kummert und ihre kleine Gruppe an eine der beiden Stellen heran. Tatsächlich, im halbmeter hohen Gras findet sich ein friedlich sitzendes Kitz. Sein Herz pocht aber kräftig, was deutlich am bebenden kleinen Körper zu erkennen ist.
Jungtiere entgehen dem Tod
Schnell stülpt Benjamin Krüger eine Kiepe über das Jungtier, das sich keinen Zentimeter bewegt hat. Und der zweite Fleck? Nur wenige Meter weiter liegt tatsächlich ein zweites Kitz im Gras. Zwillinge? Schwer zu sagen, das eine Jungtier scheint ein wenig kleiner als das zweite zu sein, doch das hat nicht unbedingt etwas zu bedeuten. Schnell wird eine gelbe Kiste auch über dieses Kitz gestülpt. Beide Stellen werden zusätzlich mit einer weißen Stange markiert, damit der Erntefahrer sie rechtzeitig erkennt. Angela Kummert gibt den beiden Tieren nach ihren Rettern die Namen Heiner und Lothar.
Zügig geht es zurück zum Ausgangspunkt, denn nun ist Eile geboten. Der Traktor mit dem Mähwerk nimmt seine Arbeit auf. Derweil wechselt die Gruppe den Standort zur zweiten Wiese an der Straße in Richtung Ivenrode, die an diesem Tag gemäht werden soll. Auch hier werden der Pilot und seine Begleitmannschaft fündig. Ein Kitz duckt sich tief ins Gras, wird von der Drohne aber dennoch gesichtet und von den Helfern vor dem Mähwerk geschützt. Jetzt ist etwas Eile angesagt, denn während Thomas Heithecker und Heiner Altenbach schon zur nächsten Fläche aufbrechen, hat Traktorist Benjamin Krüger signalisiert, dass er auf der ersten Wiese nahe an der Stelle mit den Kitzen angekommen sei.
Handschuhe und Gras gegen Menschengeruch
Nun müssen die Tiere zügig fortgeschafft werden, damit die Arbeit nicht allzu lange unterbrochen werden muss, schließlich wartet schon auf der nächsten Wiese noch ein Jungtier unter einer Kiste. Allzu lange sollte es nicht darunter verharren müssen, sonst würde es vielleicht doch unruhig werden.
Angela Kummert und ihre beiden Helfer eilen zum ersten Fundort zurück. Mit eigenem Pkw geht es soweit wie möglich über die gemähte Fläche. Handschuhe und ganz viel frischgemähtes Gras in den Händen sollen verhindern, dass die Kitze den menschlichen Geruch annehmen. Beherzt packen Angela Kummert und Lothar Kusian zu, als die Abdeckungen abgenommen werden. Die beiden Kitze werden auf das benachbarte Feld gebracht. Eines der beiden Jungtiere klagt lautstark, das zweite fiept lediglich, ruft wohl nach seiner Mutter.
Drohne fliegt seit zehn Jahren
Heiner Altenbach ist trotz der zeitlichen Verzögerung froh, dass die Aktion drei Jungtieren das Leben gerettet hat. Er ist nämlich nicht nur Landwirt, sondern auch pas- sionierter Jagdpächter und Mitglied der Jagdgenossenschaft Behnsdorf. Die hat übrigens die Kosten für den morgendlichen Drohneneinsatz übernommen.
Thomas Heithecker ist im beruflichen Leben Rettungssanitäter, in seiner Freizeit hat er es sich zur Aufgabe gemacht, auch das tierische Leben zu retten. Seit rund zehn Jahren fliegt die Drohne deutscher Bauart des Cremlingers zwischen Braunschweig und Magdeburg, schießt vorrangig Luftbilder von oben oder dreht Videos für Auftraggeber aus Industrie und von privat, doch zunehmend findet der Naturschutz Eingang in sein Hobby.
Drohnen brauchen Genehmigung
Er ist nicht nur Drohnenpilot, sondern inzwischen auch Ausbilder, denn, wer eine Drohne fliegt, der braucht einen speziellen Pilotenschein. Viele wüssten das gar nicht und würden es verbotenerweise einfach so probieren. Dabei braucht Thomas Heithecker für Flüge wie die bei Behnsdorf sogar eine Genehmigung des Landesverwaltungsamtes. Normalerweise dürfen sich solche Flugobjekte nämlich gar nicht ohne jegliche Genehmigung in der Luft bewegen, auch nicht für den Naturschutz, erzählt er zwischen einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen, das Angela Kummert serviert.